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Wolfsburg,
d. 5.3.2009 Mit
den jüngst veröffentlichten Maßnahmen
zur Weiterentwicklung des gegliederten Schulsystems hat die niedersächsische
Landesregierung einen Angriff auf Integrierte Gesamtschulen gestartet. Faktisch
schafft sie die Integrierten Gesamtschulen ab, indem sie das Abitur nach zwölf
Jahren, gegen das Eltern, Schüler und Lehrer Sturm gelaufen sind, auch für
Gesamtschulen vorsieht. „Für die Schülerinnen und Schüler mit gymnasialem
Leistungsniveau wird über eine entsprechende Ausgestaltung des
Wahlpflichtunterrichts der Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife nach zwölf
Schuljahren sichergestellt“, ist im Internet auf kultusministerieller Seite zu
lesen. Das bedeutet, dass Schüler vom 5. Jahrgang im selben Tempo zum Abitur
geführt werden müssen wie am Gymnasium.
Diese neue Regelung widerspricht dem integrativen Ansatz Integrierter
Gesamtschulen, da an diesen Schüler unterschiedlicher Begabungen unterrichtet
werden, die im Laufe ihrer Sek.I-Zeit entsprechend ihren Fähigkeiten zu ihren
Abschlüssen gelangen, wobei ein Wechsel zwischen verschiedenen Niveaustufen bis
10 möglich ist. Schüler, die
sich eventuell erst später leistungsmäßig stark entwickeln, könnten auf
diesen gymnasialen Zug nicht mehr aufspringen. Da diese Möglichkeit aber ein
Grundprinzip von Integrierten Gesamtschulen ist, ist diese Vorgabe eine
bildungstechnische Demontage dieses Schultyps. Wulff
dazu: „Die Gesamtschulen sagen doch, sie sind genau so leistungsfähig.“
(Wolfsburger Nachrichten, 25.2.2009) Konservatismus pur, Beifall aus jenem
politischen Lager garantiert! Zynismus vor dem Hintergrund, dass die OECD der
Bundesrepublik Deutschland nachweist, dass in kaum einem anderen Land der
Zusammenhang zwischen sozialem Status und dem Bildungsabschluss so eng ist. Das
auch vor dem Hintergrund, dass bei den landeseigenen Schulinspektionen die
Gymnasien schlechter abschlossen als Gesamtschulen (Wolfsburg Nachrichten,
6.12.2008). Das auch vor dem Hintergrund, dass die Arbeit an Gesamtschulen durch
eine verschlechterte Lehrerstundenzuweisung erschwert wurde. Das auch vor dem
Hintergrund, dass Nachhilfestudios – stark frequentiert von Gymnasialschülern
- z. Zt. wohl eine der wenigen
expandierenden Branchen sind. Ministeriumssprecher
Andreas Krischat wird in der Braunschweiger Zeitung vom 2.3.2009 so zitiert:
„Es wird künftig auch an den Gesamtschulen die normalen Bedingungen wie überall
im Land geben.“ Da kann sich der Bürger nur wundern, wenn das Gymnasium, das
bei der landeseigenen Schulinspektion
im Vergleich zu Gesamtschulen schlechter abschnitt, als Maß der Dinge angesehen
wird. Hinters Licht geführt worden sollte sich der Wähler fühlen, wenn
dieselbe Person laut Braunschweiger Zeitung betont, dass damit die Regierung
auch einem Wunsch aus den Gesamtschulen entgegen komme, die sonst eigene
Wettbewerbsnachteile befürchtet hätten. Hier unterscheidet er (bewusst?) nicht
zwischen kooperativen Gesamtschulen (KGS), die an das dreigliedrige Schulsystem
angelehnt sind, und den Integrierten Gesamtschulen. „Einheitlicher
Bildungsbedingungen auf dem Weg zum Abitur“
werden seitens der Landesregierung propagiert. In anderen Zusammenhängen ist
Einheitlichkeit für die Landesregierung ein rotes Tuch. Interessant ist, dass
Patrick Meinhardt, FDP-Bundestagsabgeordneter
und bildungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, wenn es um
Privatschulen geht, fordert: „Die Schullandschaft braucht Vielfalt“
(Braunschweiger Zeitung, 3.3.2009). Was denn nun? Die Integrierten Gesamtschulen, deren Einrichtungsverbot aufgrund der nicht mehr zu ignorierenden Nachfrage gelockert werden musste, wird durch das Vorhaben der Landesregierung torpediert. Die Anmeldezahlen werden bei deren Umsetzung zurückgehen, die z. Zt. verantwortlichen Politiker werden dieses mit Genuss kommentieren, denn genau das ist politisch gewollt. Unterschrieben
von Eltern und Lehrkräften der Heinrich-Nordhoff-Gesamtschule |